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DANGEROUS OLD WOMAN - RECHERCHEPROJEKT 2024/25

GEFÖRDERT DURCH DAS DARSTELLENDE KÜNSTE / TANZ- ARBEITS- UND RECHERCHESTIPENDIUM 2024 DER SENATSVERWALTUNG FÜR KULTUR UND GESELLSCHAFTLICHEN ZUSAMMENHALT BERLIN

DIE ALTE ALS MANGELWESEN

Ich plane langsam meine Zukunft als alte Frau. Problem: ich weiß nicht genau wie. Mir fehlen die Vorgaben. Es gibt wenig Bilder von alten Frauen, wenig Geschichten. In Literatur, Theater, Film wird sie-  wenn überhaupt  - als lächerliche, zänkische oder hilflose, in jedem Fall eindimensionale Figur dargestellt. Als Frau gesellschaftlich v.a. über den Körper definiert, ist sie im Alter ein Mangelwesen: Sie gilt als weniger attraktiv, weniger leistungsfähig sowohl was Lohn- als auch (kostenlose) Sorgearbeit betrifft und mit zunehmendem Alter wird sie selbst pflegeanfälliger. Aus der Sorgenden wird im schlimmsten Fall sogar die „Ent-Sorgte". Gerade ältere Frauen tragen ein überdurchschnittlich hohes Risiko von ihrem (Ex-)Partner ermordet zu werden. Der defizitäre Blick auf die Alte ist spätestens seit den Hexenverfolgungen fest in der westlichen Kulturgeschichte verankert und führt in letzter Konsequenz zum Femizid - egal ob auf dem Scheiterhaufen oder im eigenen Zuhause. Denn Bilder prägen unser Denken und letzlich unser Handeln. Keine guten Aussichten. Viellleicht ist es also Zeit für einen Perspektivwechsel. Älter als misogyne Stereotypen ist nämlich ein ganz anderer Archetypus, der sich bis heute in Fragmenten erhalten hat:
 

DIE GEFÄHRLICHE ALTE
„Gefährlich“ ist diese Figur v.a. für die Gegenseite: sie spricht unbequeme Wahrheiten, sie warnt, sie droht, sie stellt sich in den Weg und sie verteidigt das Kollektive. Wir begegnen ihr z.B. in Märchen und Mythen. Cundrie crasht Artus Party und beschimpft den empathielosen Parzifal vor gesammter Mannschaft, Baba Yaga fordert ihre Gegenüber heraus und frisst diejenigen auf, die es nicht ernst meinen. Wir begegnen ihren Spuren auch in der Geschichte. Zu Beginn der Neuzeit waren es v.a. ältere Frauen, die sich der Zerstörung gemeinschaftlicher Flächen im Zuge des sich ausbreitenden Kapitalismus am vehementesten in den Weg stellten (und dafür verbrannt wurden). Sie waren diejenigen, die das kollektive Wissen, das "Gedächtnis der Gemeinschaft", verkörperten und verteidigten. Und wenn wir genau hinsehen, dann begegnen wir solchen Frauen auch heute: sie kämpfen gegen die Abholzung eines Waldes oder für faire Mieten, sie legen sich mit Nazis an oder besetzen öffentliche Plätze. Sie sind laut, ausdauernd, kompromissloss und manchmal auch ganz schön nervig.


GESCHICHTE/N VERÄNDERN

Mit dieser Recherche möchte ich ihre Geschichten finden und weitergeben. Keine Heldinnengeschichten - sondern Geschichten von durchschnittlichen, unterschiedlichen, widersprüchlichen aber alle ein kleines bisschen bis sehr gefährlichen alten Frauen. Wenn Ihr eine kennt, kontaktiert mich gerne. Es können fiktive oder reale Figuren sein, lebende oder bereits gestorbene Personen. Jede Geschichte bleibt natürlich ein subjektiver Eindruck und Ausschnitt. Aber sie ist wichtig. In Zeiten eines patriarchalen, reaktionären Backlashs, steigender Femizide und der fortschreitenden Zerstörung aller unserer Lebensgrundlagen braucht es viele GEFÄHRLICHE ALTE, die bestimmten Leuten wieder das Fürchten lernen.

Eine davon möchte ich gern werden.

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